Wie kam das mit dem Schreiben?

Bilderbücher und vorgelesene Geschichten liebte ich wie die meisten Kinder. Später las ich Pony-Geschichten und bekam meinen ersten Krimi vielleicht ein wenig zu früh in die Finger. Doch es waren nicht nur durchlesene Nächte und der Genuss, den ich aus der Reise in fremde, spannende Welten zog, es war auch noch etwas anderes, das in mir die Gewissheit formte, dass ich Autorin werden will.

 

Da waren diese vielen Geschichten, die sich ungefragt in mein Bewusstsein drängten, sobald ich alleine war. Sie kamen, zeigten mit Bilder, ließen mich Texte hören und entführten mich in weit entfernte Königreiche. Immer dann, wenn ich mit dem Rad über die Feldwege peste, mit dem Hund unterwegs war oder zuhause Musik hörte.

Meine ersten Storys hämmerte ich in eine mechanische Schreibmaschine und ich kam mir dabei sehr, sehr literarisch vor. Schätzungsweise war ich 13 oder 14, als ich mir die Finger an dem Gerät wund gehauen habe. Weil ich durchaus praktisch veranlagt war, gab ich die Seiten nach und nach als Textverarbeitungs-Hausaufgabe ab, was mir die Mühe sparte, langweilige Übungstexte abzutippen und den Lehrer bei der Korrektur gut unterhielt. Später landeten meine Geschichten in der Schülerzeitung. Wenn es nach mir gegangen wäre, säße ich noch heute unterm Dach an der alten Schreibmaschine.

 

Doch bei diesem Erfolg blieb es. Aufgewachsen im landwirtschaftlichen Mileau eines fränkischen Dorfes fehlte es mir an Rückhalt für künsterlische Ambitionen. Hier zählte handfeste Arbeit.

Nach der Hauptschule holte mich deshalb rasch die Realität ein. Ehe ich mich versah, war ich Auszubildene als Verkäuferin in einem Lebensmittelgeschäft, pappte Preisschilder auf Suppentüten und stapelte Bierkästen. Immerhin begriff ich schnell, dass ich dort falsch war.

Doch die Lehre abzubrechen, weil ich weder mit der Arbeit noch mit dem missgünstigen Betriebsklima etwas anfangen konnte und jeden Tag mehr litt, kam nicht in Frage. Das Leben war nunmal kein Wunschkonzert, sondern eine harte, ernste Angelegenheit. Also haute ich ab.

 

Ja, richtig, ich lief von Zuhause weg, schlug mich einige Wochen  durch und wollte einfach nur frei sein. Ich war jung und brauchte kein Geld. Luxusartikel, Makeup, schicke Klamotten? Damit konnte ich nie etwas anfangen. Ich wollte nur leben und ich wollte es auf meine Art machen. Trotzdem kam ich ohne Geld nicht lange durch.

 

Ich kroch zurück und durfte nun doch an der Wirtschaftsschule die Mittlere Reife machen. Nebenbei schrieb ich Drehbücher und träumte davon, eines Tages als Autorin entdeckt zu werden. Mit dem Abschluss in der Tasche zog nach München und begann eine Ausbildung zur IT-Systemelektronikerin. Auch das war kein »Schreibberuf«, aber weit, weit weg von meinem alten Zuhause und von den Menschen, die das kleine, scheue Mädchen kannten, lernte ich, mutiger und freier zu sein. Neben der Ausbildung schrieb ich, manchmal auch in den Berufsschulpausen auf dem Flur.

Ich begann einen Roman, in dem es um die gescheiterte Liebe zweier Mädchen ging. Über das, was ich heute eine »Erstfassung« nenne, kam ich nicht hinaus, denn mir fehlte das Handwerkszeug, aus dem Material etwas wirklich gutes zu machen. Ich war enttäuscht von mir selbst und verwarf das Manuskript. Immer wieder nahm ich an Wettbewerben teil, bekam aber nichts als Absagen. Niemand wollte hören, was ich zu sagen hatte und ich weil ich trotz allem immer noch ängstlich und zurückhaltenden im Umgang mit Menschen war, fand ich niemanden, der mir weiterhalf. Ich versteckte meine Sehnsucht mehr und mehr, hatte Angst vor vernichtenden Urteilen.

Irgendwann, ich hatte die Lehre längst abgeschlossen, war in mein Team und meinen Alltag eingebunden, gab ich das Schreiben auf. Es machte keinen Sinn, irgendetwas aufzuschreiben, wenn es niemand lesen mochte.

Dann feierte ich meinen dreißigsten Geburtstag. Inwischen war ich verheiratet und Mutter eines Sohnes.
Und mit dem Dreißigwerden war es so eine Sache, denn die Dinge sahen in diesem speziellen Licht anders aus, als mit 29 3/4. Mit dreißig ist man einfach kein junges Gemüse mehr. Und mir wurde klar, dass ich auf den perfekten Moment für das Leben meines Traums warten konnte, bis ich irgendwann tot in die Kiste fiel. Von alleine passiert nichts. Und diese Sehnsucht einfach ganz zu begaben? Allein der Gedanke tat mir unfassbar weh.

Also kehrte ich meine Scherben zusammen und im Juni 2013 begann ich, eine Fantasy-Geschichte zu schreiben, für die ich wochenlang Szenen und Figuren ausgearbeitet hatte. Tatsächlich habe ich es - trotz knapper Zeitressourcen - geschafft, einen gut 400 Seiten langen Text zu schreiben. Allerdings stellte mich das Ergebnis nicht zufrieden. Es fehlte etwas, nur wusste ich nicht was.

 

Ich schrieb unzählige Kurzgeschichten, las zig Ratgeber, nahm an Kursen teil, ließ mich von der Muße hierhin und dorthin locken und weigerte mich schlicht, mich entmutigen zu lassen, auch wenn ich keinen sichtbaren Erfolg mit meinen Werken hatte. Denn ich selbst konnte eine große Entwicklung erkennen, ich sah, wie sehr sich meine alten Geschichten von den neuen unterschieden.

 

 Und die Mühe hat sich gelohnt! Inzwischen habe ich viele Kurzgeschichten in Anthologien unterbringen können, gewann den 3. Platz beim Putzlitzer-Preis des 42er-Autoren e.V., wurde ins Finale des zeilenlauf-Wettbewerbs in Baden bei Wien eingeladen und ich traute mich und veröffentlichte meine ersten beiden urban-Fantasy-Kurzromane selbst.

 

Ziemlich spontan beschlossen mein Mann und ich 2017 aus München wegzuziehen. Wir hatten keine Lust mehr, Miete zu bezahlen und wenig Platz für uns und unsere Leidenschaften zu haben, wir hatten genug von der Stadt und sehnten uns nach einem eigenen Zuhause. Also zogen wir in den Odenwald und kauften das älteste (und bei Weitem charmanteste!) Haus, das wir finden konnten.

 

Hier im Odenwald entstand endlich mein erster Roman: "ein allerletzter Sommer: Sturmschäden"

Diese Geschichte ist sehr persönlich und dicht an meinem eigenen Erleben, auch wenn Handlung und Figuren fiktiv sind.

 

Inzwischen hat sich meine Sicht auf das Schreiben genauso gewandelt wie meine Art zu erzählen. Das Schreiben und ich, wir sind zusammen gewachsen. Geschichten zu erzählen und dabei immer tiefer in technische Aspekte einzutauchen, wie auch immer tiefere Gefühle zutage zu fördern und erlebbar zu machen - das ist mein Weg durch dieses Leben.

Ein Geistersommer

diese Kurzgeschichte erzählt vom Anfang meiner Reise als Autorin. Wenn du magst, kannst du sie hier direkt lesen. Vielleicht erkennst du dich darin ein Stück weit selbst wieder?